Dreifacher King-of-the-Air-Sieger, davon zwei Titel hintereinander: Kevin Langeree ist der unbestrittene König der Lüfte. Der 30-jährige Niederländer fährt schon sein halbes Leben bei Kite-Contests mit. Diese Erfahrung hilft ihm, die richtige Strategie zu finden und mit Druck umzugehen. Denn die Erwartungshaltung an den Titelverteidiger ist riesig. KITE hat mit Kevin nach dem KOTA 2019 gesprochen und wollte wissen, wie er die Gründe für seinen Sieg selbst einschätzt, wie sich Big Air in den nächsten Jahren entwickeln wird und ob er noch einen viertel Titel holen könnte.

Kevin Langeree
Foto: Ydwer van der Heide

Hallo Kevin, zunächst mal herzlichen Glückwunsch zum dritten King-of-the-Air-Titel! Das war beeindruckend! Was hast du besser gemacht als die anderen Fahrer? Kitest du einfach besser oder bist du cleverer?
Ich glaube, meine 15-jährige Wettkampferfahrung hat mir geholfen. Was ich vielleicht anders gemacht habe als andere Fahrer, ist, dass ich die 70-Prozent-Regel in Bezug auf die Höhe wirklich ernst genommen habe. Genau darum geht es bei diesem Wettbewerb. Einige Jungs haben wirklich sehr technische Tricks gezeigt. Was Jesse und Liam im Finale abgeliefert haben, war ver­rückt! Aber die Judging-Kriterien waren nun mal klar formuliert und man wusste, dass Höhe stärker gewichtet würde. Ich habe mich vielleicht etwas stärker darauf konzentriert, wirklich hoch zu springen. Solche taktischen Entscheidungen sind immer schwierig. Ich wusste allerdings noch aus dem letzten Jahr, dass ich einige sehr wichtige Heats vor allem aufgrund der Sprunghöhe gewonnen hatte. Deshalb nahm ich mir für dieses Jahr dieselbe Strategie vor und hoffte, dass der Plan aufgehen würde. Und am Ende hat er funktioniert! [lacht]

Na, und wie der aufging! Da du Liam und Jesse und ih­ren sehr technischen Style erwähnst: Glaubst du, dass solche Fahrer die Entwicklung des King of the Air in den kommenden Jahren stark beeinflussen werden? Wird im Judging künftig mehr Gewicht auf technische Freestyle-Tricks gelegt oder bleibt alles, wie es ist?
Hm, das ist ein ziemlich schmaler Grat. Ich denke, wir müssen sehr vor­sichtig sein mit der Entscheidung, in welche Richtung wir den Sport entwickeln wollen. Keine Frage, diese ganzen technischen Tricks wie Handle-Passes sind extrem schwierig und in der Höhe wirklich verrückt. Auf der anderen Seite bin ich der Ansicht, dass ein Format wie der King of the Air für Zuschauer möglichst zu­gänglich und einfach verständlich sein muss – auch für Zuschauer, die nicht selbst kiten. Damit können wir unseren Sport voranbringen und bekannter machen. Wenn die Tricks zu technisch werden, dann drohen wir wieder in eine Nische zu rutschen, so wie es mit dem Freestyle bereits passiert ist. Da müssen wir aufpassen. Ich persönlich möchte bei so einem Event wirklich krasse Big-Air-Manö­ver sehen. Um ehrlich zu sein: Das ist mir deutlich lieber als Handle-Passes.

Kevin Langeree
Foto: Ydwer van der Heide

Wenn die Tricks zu technisch werden, dann drohen wir wieder in eine Nische zu rutschen, so wie es mit dem Freestyle bereits passiert ist.

Welche Tricks muss man denn in den kommenden ein, zwei Jahren draufhaben, um den King of the Air zu gewinnen?
Puh, das ist kaum vorhersehbar. Es gibt so viele gute Kiter, die ihr Level in verschiedene Richtungen entwickeln. Letztes Jahr dachte ich, ich wäre mit meinen Kiteloop Board-offs neu und innovativ; den hatten dann aber schon ein oder zwei andere parallel gezeigt und dieses Jahr war er so etwas wie ein Standard-­Trick, den, glaube ich, alle 18 Fahrer draufhatten. Ich habe dann angefangen, für dieses Jahr Kiteloop Board-offs mit Ro­ta­tio­nen zu trainieren, das hat wirklich geholfen. Ich kann aber schlecht sagen, wohin die Reise im nächsten Jahr gehen wird. Was ich sicher sagen kann: Ich hoffe, dass die Sprün­ge noch höher und die Tricks noch fetter werden und sich die Fahrer und der Sport noch ­weiterentwickeln.

Wenn du von noch mehr Höhe und krasseren Tricks sprichst: Meinst du nicht, dass Big-Air-Kiten irgendwann an eine Schwelle stößt, wo es einfach nicht noch höher geht? Kürzlich hat ein junger Landsmann von dir mit, ich glaube, 32 Metern einen neuen Rekord aufgestellt. Allerdings braucht es dafür auch Wind zwischen 40 und 50 Knoten und fette Kickerwellen. Solche Bedingungen hattet ihr beim KOTA nicht. Nehmen wir mal an, ihr würdet in den nächsten Jahren solchen Hammerwind während des Con­tests haben: Kann man auf über 30 Metern solche krassen Loops ziehen, ohne dass reihenweise Fahrer im Rollstuhl landen?
Ja, das geht ganz bestimmt. Aber es wird auf jeden Fall Verletzte geben. Wir hatten so etwas vor drei Jahren schon mal, als Lasse Walker und Lewis Crathern so hart gecrasht sind. Das waren wirklich radikale Bedingungen. Wenn wir um die 45 oder 50 Knoten Wind bekommen, dann werden die Jungs von den Männern getrennt. Und dabei wird es eben wie­der eini­ge Typen geben, die es zu wild treiben und sich dann wahrscheinlich wehtun. Doch gleichzeitig werden die meisten einfach nur wahnsinnig hoch springen und das wird großartig!

Foto: Craig Kolesky/Red Bull Content Pool
Jesse Richman, Kevin Langeree und Liam Whaley sind die Gewinner des KOTA 2019

Wie schätzt du dich selbst ein: Kannst du den King of the Air noch einmal oder sogar mehrmals ge­win­nen? Ich kann mir vorstellen, dass auf dir als Titelverteidiger be­son­de­rer Druck und eine Erwartungshaltung lasten, die es nicht einfacher machen, im Kopf frei zu bleiben. Spürst du diesen Druck und wie gehst du damit um?
Man spürt immer Druck. Das ist nun mal die größte Veranstaltung, die wir beim Kiten haben, und dieses Jahr waren alle Blicke auf mich gerichtet, weil ich letztes Jahr gewonnen hatte. Das Schwierigste ist, während eines Wettkampfs seinen Fokus zu behalten. Ständig wirst du abgelenkt und jemand will etwas von dir. Da sind die Medien, die Fans, du musst dich auf die Bedingungen einstellen und trotzdem unter Druck Leistung liefern können. Manchmal finde ich das schwierig. Aber dieses Jahr habe ich mich damit sehr wohl gefühlt. Ich glaube, das kommt von meiner Er­fahrung. Und ich werde auf jeden Fall versuchen, meinen Sieg in den nächsten Jahren zu wiederholen. Ich fühle, dass ich nach wie vor auf dem Maximum meiner Leistungsfähigkeit bin und werde alles daransetzen, meinen Titel nächstes Jahr zu verteidi­gen. Ich liebe es einfach, bei Con­tests mitzufahren, das habe ich in mir.

Glaubst du, Kitesurfen bräuchte mehr Veranstaltungen wie den KOTA? Es gibt zum Beispiel die Mega­loop Challenge, die jedes Jahr viel Aufmerksamkeit erhält. Auf der anderen Seite scheinen die Pläne für eine reine Freestyle-Tour, wie sie Youri Zoon letztes Jahr etablieren wollte, nun erneut gescheitert, sodass die Tour mit den GKA Air Games zu einem neuen Format fu­sio­niert wird. Braucht Kiten vielleicht eine KOTA-World-Tour oder funktioniert der Event nur in Kapstadt und auch nur einmal pro Jahr?
Das ist nicht so einfach. Wir versuchen eben auf verschiedenen Wegen, Aufmerksamkeit in den Medien für den Sport zu erzielen. Freestyle hatte eine Zeit lang einen kleinen Hype und das war cool, aber wir brauchen ein Format, das die breite Masse und auch Nicht-Kiter anspricht. Der King of the Air ist auch für Außen­stehende faszinierend, für Zuschauer wie Medien, eben weil es so einfach zu verstehen ist: Es geht einfach um Höhe. Wenn man eine erfolgreiche Tour auf die Beine stellen will, dann braucht man dafür einen gewissen Show-Faktor. Deshalb ist der KOTA so erfolgreich. Du kannst deine Oma an den Strand stellen und sagen, sie soll nach dem Kiter schauen, der am höchsten springt. Wenn sie beim Zusehen fast einen Herzinfarkt bekommt, ist das sehr wahrscheinlich derjenige, der am Ende auch gewinnt. Das ist einfach zu verstehen und etwas, das wir vom KOTA gelernt haben, also sollten wir es auch bei anderen Events ­beherzigen.

Kevin Langeree
Foto: Ydwer van der Heide

Themenwechsel: Die Gerüchteküche um North Kiteboarding kocht ja permanent auf Volldampf. Dein ehe­maliger Kollege Jesse Richman hat Naish verlassen und ist zu North gewechselt. Es wurde sehr laut spekuliert, dass deine Schwester Jalou ebenfalls zu North wechseln wird. Ich könnte mir vorstellen, dass dein Kumpel Nick Jacobsen, der ja der neue Teammanager bei North Kiteboarding ist, auch mal bei dir angeklopft hat. Kritiker sagen, sie fühlen sich ein wenig an Best erinnert, die damals viele große Namen aufgekauft haben, um ihr Team ­aufzublasen.
Kein Kommentar. [lacht] Nein, im Ernst, das ist eine sehr spannende Phase in der Industrie, wenn man sich anschaut, was bei Duotone und North abgeht. Auf der einen Seite ist das wirklich cool, weil es zeigt, dass der Sport noch wächst und wie viel Potenzial noch darinsteckt, weil große Unternehmen in die Branche ­investieren. Auf der anderen Seite stehen dann eben solche Szenarien wie damals bei Best. Allerdings glaube ich nicht, dass North dieselben Fehler machen wird wie Best. Die haben eine komplett andere Struktur. Aber wir werden sehen, wie sich das weiterentwickelt.

Kevin Langeree
Foto: Ydwer van der Heide

Ich glaube nicht,dass North dieselben Fehler machen wird wie Best.

Ich sehe schon, da kann ich dir nicht mehr entlocken. Reden wir also noch mal über dich. Du hast mir vor dem Interview kurz erzählt, dass du gerade zu Hause in den Niederlanden bist, weil du dort ein Haus hast, letztes Jahr Vater geworden bist und jetzt gerade dabei bist, einen Gartenzaun zu bauen. Das klingt nach einem recht soliden Familienleben. Wie verträgt sich das mit dem Leben als Kite-Profi und der ganzen Reiserei? Und wie sind deine Pläne für die kommenden Jahre: Wirst du weiter Big-Air-Con­tests fahren oder willst du dich stärker auf deine anderen Disziplinen konzentrieren? Immerhin bist du auch richtig gut in der Welle.
Ich will auf jeden Fall weiterhin so hoch springen, wie ich kann. Seitdem ich kite, hat mir das immer am meisten Spaß gemacht, und daran hat sich bis heute nichts geändert. Ich liebe das einfach. Natürlich werde ich auch weiter an meinen Vlogs arbeiten. [Kevin produziert seit Jahren unter dem Titel „Kevvlog“ eine erfolgreiche Videoserie; Anm. d. Red.] Jedes Mal wenn ich davon einen neuen poste, erhalte ich enorme Rückmeldung. Also will ich dort noch mehr Energie hineinstecken und das Ganze noch weiter verbessern in Bezug auf die Filmqualität, das Storytelling und solche Dinge. Klar foile ich auch viel und gehe gerne wavekiten. Foil-­Surfing ist auch so ein Thema, das mich gerade brennend interessiert und megaviel Spaß macht. Im Prinzip ist es einfach: Ich ver­su­che, das zu machen, was mir Spaß macht, und das ist Kiten. Solange ich das möglichst oft und noch möglichst lange machen kann, bin ich ­glücklich.

Letzte Frage, da du gerade von deiner kreativen Ader sprichst. Ich ha­be gelesen, dass du in den Nie­der­landen einen eigenen Contest or­ga­nisieren wolltest. Der Name war wirklich „Bodydraggen“ und es sollte um Bodydrags gehen. Was zur Hölle..?
[lacht] Ja, das wollten wir eigentlich letztes Jahr schon machen. Nur leider hatten wir dann keinen Wind. Deshalb wird das dieses Jahr hoffentlich steigen. Eigentlich war das nur als Joke gedacht. Ich habe ein paar Leute, die mir helfen wollten, das Ding zu organisieren. Also haben wir die Event-Ankündigung online gestellt. Wir hatten 60 Startplätze eingeplant – die waren nach nur einem Tag alle komplett besetzt. Dieses Jahr probieren wir es also noch mal. Die Waiting Period startet am 1. Mai, und sobald es geht, werden wir es durchziehen. Ich halte dich auf dem Laufenden, wie das läuft.

Kevin Langeree
Foto: Ydwer van der Heide

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