Anfang 2018 hat die Firma Woo mit ihrem Höhenmesser einen neuen Hype um Big Air ausgelöst. Seitdem ist bei der Jagd um Höhenrekorde nichts mehr wie es war.

Alle Sportarten auf diesem Planeten haben eines gemeinsam: Wettbewerbsdenken. Fast niemand geht regelmäßig Joggen oder setzt sich aufs Rennrad, ohne eine bestimmte Leistung irgendwann mal toppen zu wollen – und sei es auch „nur“ die eigene. Vielleicht eine Art urmenschlicher Reflex, vielleicht auch ein Symptom unserer Zeit. Aber kaum ein ambitionierter Sportler kann sich der „friendly competition“ heute entziehen.

Kiter sind da keine Ausnahme. Die Big-Air-Community ist in den letzten Jahren stark gewachsen, und mit ihr die Faszination für gigantische Sprünge. Big-Air-Battles finden nicht nur in den Communities der Hersteller Anklang; längst haben sich einstige Szene-Events wie der King of the Air zum Massenspektakel mit Livestream und Tribünen entwickelt. Sie prägen das Gesicht des Sports und sind auf dem besten Weg, der Freestyle-Tour den Rang abzulaufen. Denn Big Air hat zwei entscheidende Vorteile: Es sieht spektakulär aus und ist für jeden Zuschauer auch ohne Kitewissen verständlich.

Die Pro-Kiter fliegen voran

Höhenmesser machen Sprünge nicht nur quantifizier- und damit greifbar. Sie ermöglichen es Kitern auch, ihre Ergebnisse mit ein paar Klicks mit der Welt zu teilen. Und sein wir mal ehrlich – die Möglichkeit, sich virtuell mit anderen zu messen, ist einfach sexy. Kein Wunder also, dass Big Air-Höhenmesser, die Hersteller wie Woo oder PIQ auf den Markt gebracht haben, wie eine Bombe eingeschlagen sind. Das US-Unternehmen Woo hat von Anfang an Profis mit ins Boot geholt. Denn: Was die Pros vormachen, hat eine echte Chance, zum nachhaltigen Trend zu werden.

Und genau so war es dann auch. Woo ist mittlerweile vom Technologielieferanten zur Messlatte avanciert. Wer heute im internationalen Woo-Ranking in die Riege der Top 100 aufsteigen will, muss die 20-Meter-Marke knacken – für die meisten Normalo-Kiter utopisch. Deshalb liest sich die Bestenliste (Stand Dezember 2017) auch wie das Who is who (oder „Woo is woo“) der Kite-Szene: Aaron Hadlow (Platz 9), Oswald Smith, Steven Akkersdijk, Lewis Crathern, Julien Kerneur, Alex Caizergues und viele andere scheinen dem Woo-Wahnsinn verfallen. Auch zwei Deutsche haben es in die Bestenliste geschafft: Filip Wegener (Platz 46) und Linus Erdmann (Platz 47) schossen sich beide auf 21,8 Meter. Weil Filip mit 9,3 Sekunden mehr Airtime hatte, schwebt er einen Platz vor Linus.

Foto: Ydwer van der Heide

Woo-Chef Leo König, selbst Big-Air-Junkie, liegt mit 20,4 Metern auf Platz 77 der Weltrangliste. Er weiß also, was er verkauft. „Big Air ist für mich die Essenz des Kiteboardens,“ sagt er. „In keiner anderen Sportart kann man sich jederzeit so hoch in die Luft feuern, und der damit einhergehende Adrenalin-Rush ist einzigartig“. Der Erfolg gibt ihm recht: Die Woo-Community hat sich im letzten Jahr verdoppelt. Über 12.000 Nutzer loggten rund 20.000 Kite-Sessions pro Monat ein.

Prahlerei vs. Perfektion

Aber sind Höhenmesser tatsächlich nur Angeber-Gadgets – oder auch nützliche Trainingshilfen? FørdeKiter Fabian Sösemann schreibt auf Facebook: „Ich nutze Woo, um über die Höhe und die Kräfte bei der Landung meine Sprungtechnik zu verbessern.“ Lewis Crathern geht es da ähnlich: „Früher habe ich meine Karriere auf Wakestyle und Freestyle ausgelegt, weshalb ich Big Air leider etwas verpasst habe. Umso glücklicher bin ich zurzeit, da das gerade wieder zurückkommt und durch die großen Events wie die Megaloop Challenge oder King of the Air befeuert wird.“ Lewis veranstaltet eigene Coachings, bei denen er Normal-Kitern die Flug-Faszinatzion näher bringt. Dabei nutzt er Höhenmesser standardmäßig als Trainingstool: „Anhand der Messdaten sehe ich, ob meine Schüler richtig oder falsch springen. Wenn ich zum Beispiel einen guten Fünf-Meter-Sprung mit einem sauberen Absprung sehe, die Airtime aber kurz ausfällt, dann weiß ich, dass der Kiter die Bar nicht voll angezogen hat. Oder wenn die G-Kräfte bei der Landung zu hoch sind, müssen wir an der Schirmsteuerung arbeiten.“

Maß und Mittel

Mit dem Release der dritten Woo-Generation häufen sich allerdings die kritischen Töne zu dem kleinen Messgerät. User unken im Netz: „Wenn Du mehr Höhenmeter willst, kauf Dir die neue Woo“. Der Verdacht: Die Messungen sind ungenau. KITE hat bereits 2016 im Vergleichstest Woo gegen PIQ festgestellt, dass Woo im Durchschnitt etwas großzügiger misst, als die Konkurrenz. Anderes Beispiel: Beim Hängt ihn höher Contest im September 2018 sollten die Woo Sensoren den Sieger des Big-Air-Wettbewerbs bewerten. Leider waren die Messdaten nicht verwertbar. Vom Mini-Hüpfer bis zum neuen Weltrekord war in einer aufgezeichneten Session alles dabei – klassische Fehlanzeige.

Ob man Höhenmesser nun als sinnvolles Gadget fürs eigene Sprungtraining, als Angeber-Gerät für Überflieger oder als sinnlose Technologisierung der Sportart bewertet, muss jeder für sich selbst entscheiden. Auf eines aber können sich wohl die meisten Kiter einigen: Springen ist und bleibt eine der faszinierendsten Spielarten im Kitesurfen und wenn ein kleiner Kasten auf dem Board den Piloten zu neuen persönlichen Bestleistungen motiviert, kann das so schlecht nicht sein.